Marienbild
Reifferscheid
Wenn ein Kind ernsthaft erkrankt, setzen Eltern sprichwörtlich „Himmel und Hölle“ in Bewegung, um eine Genesung herbeizuführen. Im Burgort Reifferscheid erzählt das lauschig gelegene „Gröttchen“ die Geschichte himmlischen Beistandes und langjähriger Dankbarkeit für erhörte Gebete. Ein Spaziergang dorthin wärmt die Seele.
Ein heimatlicher Ort der Hoffnung
Ein Kraftort muss nicht spektakulär oder von außergewöhnlicher Schönheit sein. Ein Kraftort berührt einen Menschen von innen heraus. Genau dies erleben viele Spaziergehende, die dem schmalen Pfad hinunter ins liebliche Reinzelbachtal folgen. Kurz bevor der Weg den Talgrund erreicht, weist der mit Eichen bewaldete Südhang einen Felsrücksprung mit einem Marienbildstock auf. Es ist das „Gröttchen“, wie es die Einheimischen liebevoll getauft haben. Jahreszeitlich gepflanzte Blumen und oftmals aufgestellte Kerzen zeigen, dass der Ort der Andacht nicht vergessen ist.
Gestiftet wurde der Bildstock 1955 von einem Reifferscheider Familienvater, dessen gerade geborener Sohn schwer erkrankt war. Die ungewisse Prognose belastete stark und der Mann suchte eine Stelle in der Natur, um seine Fürbitten an Gott zu richten. Da er die Hänge und Wege hinunter ins Reinzelbachtal von Jugend an bestens kannte, lag der Platz unterhalb der Burgmauern nahe. Mit handwerklichem Geschick fasste er den felsigen Rücksprung mit Stufen ein und schnitzte der Marienfigur eine schützende Behausung. Ob himmlischer Beistand oder medizinische Behandlung, der Sohn gesundete und die Dankbarkeit des Vaters währte ein Leben lang.
Marias doppelte Fürsprache
Wenn Sie das „Gröttchen“ aus der Nähe in Augenschein nehmen, überrascht im Bildstock eine zweite Marienfigur. Auch dies erzählt eine Geschichte. Vor wenigen Jahren wurde die ursprüngliche Darstellung der Mutter Gottes mutwillig aus der Behausung gerissen und in die Landschaft geworfen, wo sie zum Glück gefunden wurde. Zwischenzeitlich aber hatte die Stifterfamilie aus ihrem privaten Besitz eine neue Marienstatue ins „Gröttchen“ gebracht. Nun bieten gleich zwei Marienbildnisse den Gläubigen Beistand in allen Lebenslagen an. Ein Umstand, der sicher keinem schadet.
Doch das „Gröttchen“ ist nicht nur ein religiöser Ort. An einem Wanderweg gelegen heißt es mit einer Bank jeden willkommen, der abseits alltäglicher Hektik durchatmen und sich der Natur nahe fühlen möchte. Wenn dabei der Herzschlag ruhiger wird, das „Gröttchen“ Sie erdet, dann ist dies vielleicht nicht Ihr letzter Besuch. Zurück führt Sie die kleine Spazierschleife im Tal rechts abbiegend. Danach steigt der Weg – immer mit eindrucksvollen Blicken auf den Bergfried – sanft wieder auf die Höhe Reifferscheids. Einen Gang durch den historischen Ortskern, der zu den schönsten in NRW zählt, sollten Sie sich keinesfalls entgehen lassen.
Reifferscheid – charmant und eindrucksvoll zugleich
Vom ersten Schritt an atmet Reifferscheid gleichermaßen Geschichte wie Gemütlichkeit. Der Ortskern hat seine ursprüngliche Anlageform aus Vorburg, Schloss und befestigter Siedlung bewahrt und vermittelt mit seinen zahlreichen Fachwerkhäusern mittelalterliches Flair. Zurückverfolgen lässt sich die Historie Reifferscheids bis ins Jahr 1106. Es ist das Jahr, in dem der Herzog von Niederlothringen seine Reifferscheider Höhenburg eigenhändig zerstört, da sie zwischen feindliche Linien geraten war. Dies ist die erste, aber längst nicht letzte gewaltsame Zerstörung. Den kriegerischen Verwüstungen oder Bränden folgt stets ein hoffnungsvoller Neuaufbau. Doch nach der französischen Enteignung 1805 verfällt die Burgruine scheinbar endgültig, wird zum „Steinbruch“ und zur Ruine. Erst das tatkräftige Engagement der Reifferscheider Bürgerschaft küsst die Burg in den 1990er Jahren wieder aus dem Dornröschenschlaf. Torburg, Wehr- und Stützmauern sowie der Burghof werden in Eigenleistung aufgebaut. Eine fantastische Aussicht bietet heute der „Eifelblick“ des Bergfrieds auf den Burghof, die malerischen Gassen, die spätgotische Kirche Sankt Matthias und die Eifeler Umgebung. Jede Treppenstufe hinauf lohnt sich!